Eines frühen Morgens im Spätsommer 2003 machten die Hunde im Tierpflegenest einen großen Lärm. Als sie sich nicht beruhigen wollten, forschte man
nach der Ursache und fand eine vollkommen verängstigte, alte Hündin mit einer dünnen Leine an das
Gartentor des kleinen Tierheimes angebunden. Kein Mensch war weit und breit zu sehen, keinen Zettel mit einer Nachricht fand man bei ihr, nur diese angstvollen Augen einer wimmernden, etwas
überernährten aber scheinbar gepflegten Hündin. Man nahm sie mit in das Haus der vielen Hundeschicksale. Das Laufen fiel der Hündin sehr schwer und ihre Gelenke waren aufgrund ihres Gewichtes
überlastet.
Wut über diese Tat und Angst, was alles hätte geschehen können, machten sich in Frau Conrad breit. Sie gab der Hündin liebevoll den Namen Amy.
Amy erhielt alle Impfungen, wurde entwurmt, auf Diät gesetzt und in das Rudel des Tierheimes integriert. Je mehr sie abnahm, umso quirliger wurde sie und Frau Conrad sagte immer zu ihr: „Die Omi ist
wieder mit ihren Turnschuhen unterwegs.“
Nach einiger Zeit gab es einen Hinweis über Amys Herkunft im Gästebuch der Homepage. Anonym wurde von einem Besitzer gesprochen, der Amy aus privaten Gründen abgeben musste und sich nicht anders zu
helfen wusste. Er wollte sie nicht einem Tierheim überlassen und wusste, dass es Amy dort gut hätte und Frau
Conrad bestens für sie sorgen würde.
Aber das Tierpflegenest war und ist ja ein Tierheim, aber eben ein ganz besonderes.
Im Rudel ordnete Amy sich ganz oben ein, hatte alle anderen Hunde im Griff und es gab auch mal was hinter die Ohren, wenn einer nicht machte was sie wollte.
Immer wenn es Interessenten gab, ging es Amy schlecht. Sie konnte nur noch schwer laufen, hing ihr Köpfchen auf den Boden und Frau Conrad verstand die Welt nicht mehr. Amy fühlte, dass sie diesen
wunderbaren Ort für immer verlassen sollte.
Die 1. Vermittlung 2005
Frau Conrad fand eine nette ältere Dame mit schönem Haus und Garten, die Amy mitnahm. Fast täglich rief die Dame an und berichtete, dass Amy ganz anders war, als Frau Conrad sie beschrieben hatte.
Sie fraß nicht, war lustlos und machte einen sehr unglücklichen Eindruck.
Also holte man Amy wieder ab. Zu Hause angekommen fegte sie durch den Garten, aß und trank und verhielt sich so, als wäre sie nie fort gewesen.
Die 2. Vermittlung 2006
Eine nette Familie mit Handicapnasen meldete sich und bot Amy ein liebevolles Zuhause mit Hundekumpels. Amy war wieder unglücklich, stibitzte den anderen Hunden die Kauknochen, verwarnte sie stets
und biss sie sogar.
Die nette Familie musste Amy wieder zurück bringen, denn es war keinglücklicher Zustand für alle Beteiligten.
Die 3. Vermittlung 2006
Eine liebe Interessentin meldete sich, die schon Erfahrung mit Problemhunden hatte und wollte Amys Schicksal auf sich nehmen. Gleich am nächsten Tag gab es den ersten Anruf. Sie vermutete, dass Amy
blind, taub und überhaupt krank sei, denn sie fraß wieder nichts, schlief den ganzen Tag und hob kaum ihr Köpfchen.
Sie nahm Amy mit zu einem Tierarzt. Dort diagnostizierte man eine
Unterzuckerung, sie bekam täglich Spritzen, Medikamente und Infusionen, aber Amy ging es immer schlechter.
Petra Conrad beschlichen Zweifel, ob der Arzt auch alles richtig machte.
Nachdem es Amy dann doch etwas besser ging und sie aus der Tierklinik entlassen wurde, erhielt Frau Conrad am 2. Tag einen Anruf. Amy lag auf dem Boden, bekam keine Luft mehr und konnte nicht mehr
aufstehen. Es war ein Bild des Jammers und Frau Conrad holte Amy sofort nach Hause. Sie hatte große Angst, dass sie in
ihren Armen sterben würde, aber Amy erholte sich von Tag zu Tag und das ohne diese Medikamente. Ihr Tierarzt diagnostizierte nicht ein einziges Leiden.
Ein Jahr später, im Jahre 2007, kurz nach der Fütterung, stöhnte Amy
schrecklich. Ihr Magen blähte sich auf und ihr Kreislauf drohte zu versagen.
Der Tierarzt eilte in die Praxis, eine helfende Hand, die die
Tierarztfahrten übernimmt, raste herbei und Amy drohte die Fahrt nicht zu überleben. Die Vermutung einer Magenumdrehung bestätigte sich und Amy wurde trotz ihres schwachen Herzens notoperiert.
Der Tierarzt hatte trotz gut überstandener Operation große Sorgen um Amy. Sie stand nicht auf und fraß kaum etwas. Als Frau Conrad sie abholte traute er seinen Augen kaum. Amy stand auf.
Amy erholte sich überraschend gut von ihrer schweren Operation. Heute ist die ca. 1990 geborene Cockermischlingsdame stolze 18 Jahre alt. Trotz ihrer Arthrosen, ihrem Herzleiden und der Medikamente,
ist sie im Herzen jung geblieben und hat ein großes Herz erobert.
Eine Tierkommunikatorin hat letztes Jahr mit Amy gesprochen und den wahren Grund für ihre immer wieder kehrende Heimkehr in das Tierpflegenest erfahren:
Ihr ehemaliges Herrchen, der sie die vielen Jahre immer geliebt und behütet hatte, sei unverschuldet in Not geraten. Aus Verzweiflung musste er den schwersten Weg seines Lebens gehen. Er hatte ihr
versprochen, dass sie sich hier sicher fühlen und sich ein Engel liebevoll um sie kümmern würde. Schweren Herzens musste er sie zurück lassen. Sie hatte lange sein Weinen gehört, denn er war noch
lange ganz nah bei ihr gewesen.
Sie beantwortet die Frage nach ihren Wünschen: „Ihr seid voller Mitgefühl und Liebe für mich, aber vergesst darüber hinaus nicht das Schicksal der Menschen. Auch Menschen brauchen unser Mitgefühl,
seid nicht so hart im Urteil. Lasst mich an diesem Ort, bis ans Ende meiner Tage, das ist mein größter Wunsch, beim Engel der Tiere.“
Verzweiflung und Hilflosigkeit bringt Menschen manchmal zu Taten, zu denen sie gezwungen werden und die Herzen schmerzhaft auseinander reißen.
Vielleicht wartet Amy auf jenen Tag, wo sich ihr Herrchen und der Engel begegnen, und er Amy ein letztes Mal in die Arme schließen kann, an dem einzigen Ort, der sie für immer miteinander
verbindet.
Wir danken diesem Engel auf zwei Beinen!